Ein Schöpfungsmythos in Bunt

Ein Schöpfungsmythos in Bunt

Farbiges Mithras-Kultbild in Güglingen enthüllt
Die Welt der Römer war sicherlich nicht ganz so bunt wie unsere heutige – doch wie bunt man sich das vorstellen muss, was heute nur noch eine Natursteinoberfläche hat, kann man nun in der Archäologischen Freilichtanlage in Güglingen sehen: Dort befindet sich mit Mithräum II eines von zwei Heiligtümern, in denen man hier in römischer Zeit den Gott Mithras verehrte. Dessen Ausgrabung in den Jahren von 2002-2004 war eine große Sensation, denn fast seine gesamte Ausstattung blieb erhalten – ein absoluter Glücksfall für die Archäologen.   

Bis nach Berlin in den Martin-Gropius-Bau getourt sind zuletzt auch die Steindenkmäler aus dem Heiligtum, die jetzt als Kunststeinabgüsse am originalen Fundort ebenfalls wieder aufgestellt wurden. 
„Ursprünglich war einmal der Gedanke, dass wir draußen am Fundort nicht nochmals das Gleiche zeigen wollen wie schon in der musealen Inszenierung anhand der Originale“, so Museumsleiter Enrico De Gennaro, „aber mit dem farbigen Kultbild gewinnt die Outdoor-Darstellung nun eine zusätzliche Qualität“. 
Diese farbige Rekonstruktion des ganz zentral im Mithräum aufgestellten und einst bemalten Kultbildes, von dem man bei den Grabungen nur die rechte untere Ecke fand, hat ein privater Spender aus Stuttgart ermöglicht. 

Die Künstlerin Shira Nov hat die Malerei gestaltet: Sie orientierte sich dabei an den am besten erhaltenen Wandfresken in Italien, die sich beispielsweise in den Mithräen von Marino am Albaner See oder in Santa Maria Capua Vetere fanden. Auch in der Technik versuchte sie sich möglichst stark dem Original anzunähern, indem sie Ei-Tempera benutzte. Auf den Kultbildern waren, durchweg sehr gleichlaufend, die zentralen Glaubensinhalte und der Schöpfungsmythos in dieser Religion dargestellt: Mithras opfert einen bösen weißen Stier in seiner Höhle und vergießt damit nicht sein eigenes Blut, sondern das des Stieres. Aus dessen Leib wird letztlich die Welt erschaffen und viele Elemente der Religion finden sich im Bild wieder: Da ist das Sternenfirmament, der Sonnengott Sol und die Mondgöttin Luna oder die beiden Fackelträger, die die Gegensätze darstellen. Verschiedene Tiere weisen auf die sieben Weihegrade hin, die es im Kult gab. 

Was von dieser Religion existiert, sind hauptsächlich bildliche Darstellungen – sie war geheim und man musste in sie eingeweiht werden, was allerdings nur Männern vorbehalten war. Letztlich war diese Gemeinschaft jedoch kein elitärer Zirkel, sondern sozial sehr durchlässig, wie man heute weiß.
Enrico De Gennaro erläutert: „Wenn wir uns die Vorstellung vom Jenseits in der Antike ansehen, so erwartete den Verstorbenen hier nur eine freudlose Existenz als bloßer Schatten in der dunklen Unterwelt. Somit bekamen ab dem 1. Jh. n. Chr. besonders jene Religionen und Kulte großen Zulauf, die den Menschen positivere Angebote für das Jenseits machten, falls man sich im täglichen Leben und natürlich im Kult bewährte.“ Eine dieser Religionen war der Mithras-Kult und dass man in Güglingen gleich zwei dieser Heiligtümer fand, zeigt, wie beliebt die Verehrung von Mithras auch hier war.